Restaurierung der Denkmäler auf dem jüdischen Friedhof Recklinghausen
An dem Mahnmal für die 215 Opfer der Shoah auf dem jüdischen Friedhof in Recklinghausen sieht man immer deutlicher, wie die Zeit vergeht. Die schwarze Farbe verblasst, mit der im Jahr 1948 auf dem Beton des Mahnmals die Namen der Recklinghäuser Juden, die nach Riga verschleppt und getötet wurden, geschrieben wurden. Nicht nur das – auch die Substanz des Mahnmals hat unübersehbar gelitten. Deswegen soll die Gedenkstätte am Nordcharweg bis zum 6. November 2022 erneuert werden, wenn auf dem Friedhof die alljährliche Gedenkveranstaltung stattfindet, die an die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger Recklinghausens nach Riga erinnert. „Am 6. November soll das Mahnmal so aussehen wie zur Eröffnung“, sagt der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Recklinghausen Dr. Mark Gutkin und zeigt ein Schwarz-Weiß-Foto vom 12. September 1948, dem Tag der Einweihung des Mahnmals, das auf dem Bild mit zwei Israel-Fahnen (rechts und links) zu sehen ist. Die Restaurierung übernimmt das Unternehmen Vogt Grabmale aus Oer-Erkenschwick. Maximilian Dryja, ein Vertreter des Unternehmens, schätzt den Arbeitsaufwand auf eine gute Woche zu zweit, mag sich jedoch nicht festlegen, denn sollte das Mahnmal innen nass sein, was man erst bei dessen Öffnung sieht, reiche eine Woche nicht aus. Mit der Zeit kann bei einem gegossenen Denkmal wie diesem der Beton platzen, wenn durch Ritzen Feuchtigkeit eindringt und die verbaute Substanz sich dadurch ausdehnt. Die Risse im Mahnmal seien in der Vergangenheit zwar ausgebessert worden, „aber nicht fachmännisch“, sagt der Steinmetz Dryja.
Der Stadtarchivar Dr. Matthias Kordes erzählt, dass die Aufstellung des Mahnmals 1948 dem jüdischen Ehepaar de Vries zu verdanken ist, das am 9. April 1946 die erste jüdische Hochzeit in Recklinghausen nach der Shoah feierte. Obwohl es damals keine Gedenkkultur und kein Archiv in der Stadt gegeben habe, haben Ludwig und Martha de Vries die Namen der 215 Opfer herausgefunden. Ludwig de Vries war außerdem der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde der Stadt, bis er 1958 verstarb.
Für die Restaurierung des Mahnmals und des Gedenksteins für jüdische Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind, ruft die Stadt Recklinghausen zu Spenden auf. Diese beiden Denkmäler spiegelten als „Antipoden“ die „Extreme der deutsch-jüdischen Kultur des 20. Jahrhunderts wider“ stellt Dr. Matthias Kordes fest und der VHS-Leiter Dr. Ansgar Kortenjann sagt dazu: „Es ist wichtig für die Stadt diese Denkmäler zu erhalten“.
Quelle: JEW_14_RE_Mahnmal
Bürgermeister Tesche unterstützt Spendenaufruf für jüdische Mahnmale
Sie werben für die Restaurierung der zwei jüdischen Mahnmale auf dem Jüdischen Friedhof (v.l.n.r.): Isaac Tourgmann, Kantor der Jüdischen Kultusgemeinde, Steinmetz Maximilian Dryja, VHS-Leiter Dr. Ansgar Kortenjann, Stadtarchivar Dr. Matthias Kordes und Dr. Mark Gutkin, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde. Foto: Stadt RE
Mahnmale halten die Erinnerung wach und arbeiten gegen das Vergessen. Ihre gesellschaftliche Bedeutung ist unleugbar. Nicht nur aus diesem Grund bekräftigen die Stadt Recklinghausen und Bürgermeister Christoph Tesche den Spendenaufruf der Jüdischen Kultusgemeinde, um die Restaurierung der beiden Gedenksteine auf dem Jüdischen Friedhof am Nordcharweg zu unterstützen.
„Wir pflegen in Recklinghausen eine intensive und breit angelegte Gedenkkultur. Daran hat die Jüdische Kultusgemeinde ihren ganz besonderen Anteil“, sagt Tesche. „Umso wichtiger ist es also, die bestehenden Denkmale zu schützen und zu pflegen. Sie erinnern nicht nur an Geschehenes, sondern regen auch zum Nachdenken an und tragen hoffentlich dazu bei, dass es nie wieder zu ähnlich schrecklichen Ereignissen wie im 20. Jahrhundert kommt. Deshalb möchte ich mich mit einer Bitte an Sie wenden, liebe Bürgerinnen und Bürger, unterstützen Sie diese wichtigen Restaurierungsmaßnahmen gerne mit einer Spende.“
Es geht um zwei Mahnmale – das eine erinnert an die jüdischen Soldaten aus Recklinghausen, die während des Ersten Weltkrieges gefallen sind, das andere an die 215 jüdischen Opfer des Holocaust, ebenfalls aus Recklinghausen. Über viele Jahrzehnte hinweg waren die Mahnmale der Witterung ausgesetzt. Diese hat ihre Spuren mittlerweile sichtbar hinterlassen; die Inschriften mit den Namen der Kriegs- bzw. Holocaust-Opfer sind an einigen Stellen kaum mehr lesbar. Das Holocaust-Denkmal, das bereits am 12. September 1948 eingeweiht wurde, wird als erstes restauriert, sodass die Arbeiten spätestens in diesem November abgeschlossen sein sollen.
Maximilian Dryja, Geschäftsführer der Handwerksunternehmen Vogt Grabmale und Starmoris, übernimmt mit seinen Mitarbeitenden diese Instandsetzung. Das Ziel ist es, das historische Erscheinungsbild zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Neben der Ausbesserung der vorhandenen Risse in den gegossenen Denkmalen gilt es auch die Inschriften zu erneuern und neu mit Farbe auszustatten. Die Handwerkstechnik des Einschlagens, die traditionelle Arbeit der Steinmetze, wird heutzutage nur noch selten angeboten.
Nach der Fertigstellung des Holocaust-Mahnmals soll die Restaurierung des Gedenksteins für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs folgen. Da dieser Obelisk bereits im Jahr 1921 errichtet wurde, ist er weitaus schlimmer von Schäden betroffen.
„Die beiden Mahnmale sind bewegende Symbole für die tragischen Extreme der deutsch-jüdischen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, erläutert Stadtarchivar Dr. Matthias Kordes. „Nachdem die patriotischen deutschen Juden im Ersten Weltkrieg bereitwillig und Seite an Seite mit nicht-jüdischen Soldaten für das Kaiserreich kämpften, wurden sie bzw. ihre Angehörigen zwei Jahrzehnte später systematisch verfolgt und umgebracht.“
Die gesamte Restaurierungsmaßnahme soll im Laufe des Jahres 2023 abgeschlossen sein. Die Kosten belaufen sich auf circa 20.000 Euro. Um diese aufbringen zu können, ist die Jüdische Kultusgemeinde auf Spenden angewiesen.
Das Spendenkonto
Bankinstitut: Sparkasse Vest Recklinghausen
IBAN: DE87 4265 0150 0000 0450 47
BIC: WELADED1REK
Stichwort: Spende Mahnmal
Quelle: Isabel Wessels, Stadt Recklinghausen, Rathaus, Foto: Alexander Libkin