Fußball-Legende aus Israel nimmt auf alter Schulbank Platz
Vor der jüdischen Schule: (v.l.) Peter Borggraefe, Emanuel Schaffer, Manfred Lämmer und Isaac Tourkman. WAZ-Bild: Kruse
Film über Emanuel Schaffer soll auch seine Jahre in Recklinghausen zeigen von Mark Raschke
Emanuel Schaffer kämpft mit den Tränen. Gerührt schaut der 78-Jährige in die Gesichter der jüdischen Gemeinde Recklinghausen, die ihn so eben zum Ehrenmitglied ernannt hat. Spontan! Dabei wollte der ehemalige Erfolgs-Trainer der israelischen Fußball-National-mannschaft einfach nur mal Hallo“ sagen.
Denn eigentlich ist er in Recklinghausen, um mit dem Historiker Peter Borggraefe eine Idee zu besprechen, bei der er im wahrsten Sinne des Wortes eine tragende Rolle spielen wird: Das Sporthistorische Institut der Deutschen Sporthochschule Köln möchte sein Leben verfilmen.
Ein Leben, das 1923 in der Paulusstraße 28 begann. Denn Emanuel Schaffer, der 1970 die israelische National-mannschaft das bislang erste und einzige Mal in ihrer Geschichte zu einer Weltmeisterschaft nach Mexiko geführt hat und deswegen heute noch in Tel Aviv auf der Straße erkannt wird, stammt aus Recklinghausen.
Hier lebte er bis 1933 und ging damals natürlich auch in die jüdische Schule, die er jetzt bei seinem Besuch in Recklinghausen zum ersten Mal seit seiner Kindheit wieder betrat. „Da saß ich“, „, sagt er sofort und deutet auf einen Platz nahe dem Fenster. „Und da draußen war ein tiefes Loch, aus dem ich immer die Bälle geholt habe.“ Schaffer kickte schon damals.
Er floh vor den Nazis, kehrte Deutschland den Rücken und siedelte über Polen und Russland nach Israel über. Eine Odyssee, die beispielhaft ist für viele jüdische Schicksale. Dennoch kam er relativ schnell nach dem Krieg – 1958/59 zurück nach Deutschland und machte hier an der deutschen Sporthochschule in Köln seinen Trainerschein bei Hennes Weisweiler und Sepp Herberger.
In den 60er und 70 Jahren trainierte Schaffer dann die Elite-Kicker Israels. Und noch bevor diplomatische Kon-takte auf politischer Ebene hergestellt wurden, sorgte Schaffer bereits über den Fußball für eine deutsch-israelische Verständigung. Alles in allem also eine tragisch-kuriose Biographie“, wie Prof. Manfred Lämmer findet, der als Leiter des Sporthistorischen Instituts nun zusammen mit Peter Borggraefe nach einem interessierten Produzenten für den von der Filmförderungsanstalt NRW unterstützten Film Ausschau hält.
Erschwert wird diese Suche dadurch, dass zudem ein israelischer Co-Produzent gefunden werden muss, der das Filmmaterial aus der heutigen Heimat Schaffers liefern soll. Hier aber hat Peter Borggraefe bereits über den ehe-maligen israelischen Botschafter in Deutschland, Avi Primor, einen kompetenten Kontakt hergestellt. Emanuel Schaffer freut es. Immer wieder schweifen seine Augen durch die Schulraume.
Er ist Optimist.
von Mark Raschke
Emanuel Schaffer
Emanuel „Eddy“ Schaffer (* 11. Februar 1923 in Drohobycz, Polen; † 30. Dezember 2012 in Ramat haScharon) war ein israelischer Fußballtrainer. Als Trainer der israelischen Fußballnationalmannschaft brachte er diese 1970 zum einzigen Mal zur Weltmeisterschaft. Zudem war er ein Vermittler im Sport zwischen Deutschland und Israel.
Familie
Schaffers Vater, Mozes („Max“) Schaffer wurde 1893 in Porohy, seine Mutter Hela 1898 im galizischen Drohobycz geboren. Er hatte drei Geschwister: Cila (geboren 1920), Salka (geboren 1921) und Rosa (geboren 1928). Sein Vater war Manager einer Öl-Gesellschaft in Galizien, kam 1922 als Handlungsreisender nach Deutschland und verbrachte dort einige Monate, woraufhin ihm seine Familie folgte. Sie zogen aus Polen über (Marl-) Hüls im Jahre 1928 nach Recklinghausen ins nördliche Ruhrgebiet, wo Schaffer seine Kindheit verbrachte. Er besuchte eine jüdische Schule und interessierte sich schon früh für Fußball. Sein Vater Moses Schaffer arbeitete zu dieser Zeit als Handlungsreisender. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, floh die Familie 1933 und kehrte nach Stationen im französischen Metz und dem Saarland 1936 ins ostpolnische Galizien zurück. Emanuel wechselte seine Muttersprache von Deutsch zu Polnisch. Während seine älteren Schwestern ihr Studium in Stanisławów fortsetzten, besuchte Emanuel das Gymnasium in Drohobytsch und wohnte bei seiner Tante Lusia. Dort spielte er zum ersten Mal in einem Fußballverein, Betar Drohobycz, einem Klub der zionistischen Jugendbewegung. Im Jahre 1939 wurde die Stadt Drohobytsch von der Sowjetunion besetzt. Drohobycz wurde am 22. Juni 1941 von der deutschen Wehrmacht überfallen, welches den Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges kennzeichnet.
Eine Gruppe Jugendlicher, unter denen sich auch Emanuel Schaffer befand, versuchte in den Osten zu fliehen. Schaffer war einer der wenigen, der die Flucht überlebte. Auf der Flucht bekam der Achtzehnjährige Diphtherie und Typhus und kam nach Alma Ata in Kasachstan. Dort wurde er in einem vom Innenministerium der UdSSR (NKWD) kontrolliertem Arbeitslager festgehalten. In diesem schloss er sich der Arbeitslager-Fußballmannschaft an, die gegen andere Arbeitslager und Lokalmannschaften spielte. Er sicherte sich damit zusätzliche Lebensmittel. Später arbeitete er in Alma Ata in einer Schuhfabrik und spielte bei dem Fußballverein Dynamo Alma Ata. 1941 erreichte ihn die Nachricht seiner Tante Lusia über den Tod seiner Familienmitglieder, die wahrscheinlich bei einem Massaker in Stanisławów ermordet wurden. Einen Monat, nachdem der Krieg zu Ende war, kehrte Emanuel nach Polen (Bielawa) zu seiner Tante Lusia und ihrer Familie zurück, die dank einer polnischen Frau, die die jüdische Familie versteckte, überlebt hatten.
Nach dem der Krieg vorbei war, kehrte Schaffer nach Polen zurück. Seine Auswanderung nach Palästina wurde durch fehlende Papiere und ein von der britischen Mandatsmacht verhängtem Einwanderungsstopp vorerst verhindert. Stattdessen begann er eine Karriere als Fußballer. Er spielte bei ZKS Bielawa, einem jüdischen Sportverein, und in der niederschlesischen Fußballauswahl. 1949 endete Schaffers Karriere vorerst, weil das jüdische Vereinswesen und somit auch seine Aktivität im Fußballverein verboten wurden. Als er in die polnische Armee einberufen wurde, floh er über die Tschechoslowakei, Österreich und Italien nach Israel, wo er 1950 mittellos ankam. Schaffer nahm seine Fußballkarriere wieder auf und spielte im Team Hapoel Haifa. Im Jahre 1954 stand er sogar im Kader für die Nationalmannschaft. Aufgrund einer Beinverletzung musste er jedoch das Fußballspielen aufgeben.
Vom Spieler zum Trainer
„Ich habe davon geträumt, Trainer zu werden.“ (Emanuel Schaffer, 1956) Aus diesem Grund kehrte er 1958 nach Deutschland zurück, um an der Sporthochschule Köln sein Trainerdiplom zu absolvieren. Zur finanziellen Unterstützung trainierte er den Verbandsligisten Rhenania Würselen und sammelte zusätzlich Erfahrungen. Als Trainer kehrte er nach Israel zurück, um die Oberliga-Mannschaft Bnei Yehunda und die Mannschaft der israelischen Luftwaffe zu trainieren. Zeitgleich ließ er eine Trainerschule mit deutschen Einflüssen bauen. Schaffer nahm mit seinem Team 1968 an den Olympischen Spielen teil, nach einem Unentschieden gegen Bulgarien, verfehlten sie jedoch die Bronzemedaille durch einen Münzwurf. In den Jahren von 1968 bis 1971 und noch einmal von 1978 bis 1980 war er Trainer des Nationalteams Israels.
Sein größter Erfolg gelang ihm 1970 mit der israelischen Nationalmannschaft, die als erstes und bislang einziges Mal die Qualifikation zur Endrunde der Fußball-Weltmeisterschaft in Mexiko erlangt hatte. In Fußballfachkreisen wurden drei klare Niederlagen erwartet. Man verlor das Spiel gegen Uruguay mit 0:2, auf das man sich aufgrund fehlender finanzieller Mittel zur Gegnerbeobachtung nicht optimal vorbereiten konnte. Gegen Schweden und Italien konnte die Mannschaft jeweils ein Unentschieden erringen, was in Israel großen Widerhall fand. „Bei unserer Rückkehr sind die Spieler wie Helden empfangen worden. Sie haben nicht für Geld, sondern für ihr Land gespielt. Wir haben für drei Millionen Menschen einen echten Erfolg errungen.“, so Schaffer.
„Deutsche“ Fußballtugenden, taktische Disziplin und körperliche Fitness waren für Emanuel die entscheidenden Kriterien seiner Trainerphilosophie. Durch seine professionellen und erfolgreichen Trainingsmethoden, gelang es ihm den israelischen Fußball zu revolutionieren. Trotz seiner erfolgreichen Trainerkarriere holte ihn sein altes Leben immer wieder ein. Auf die Frage eines Sportjournalisten, warum er beim Training immer so fluchen würde, antwortete er. „Ich weiß, ich bin verrückt […] Aber du musst wissen, dass, wer auch immer da war und überlebt hat, verrückt zurückgekommen ist. Auch die, die glauben, sie sind normal, sind verrückt. Niemand ist gesund zurückgekehrt.“ An seinem Grab sagte Avi Luzon, der Präsident des israelischen Fußballverbands: „Er war der größte Trainer, den wir je hatten“.
von Wikipedia