Den Toten verpflichtet
Wiederbeginn oder Neuanfang
Nur wenige Wochen nach dem Untergang der NS-Herrschaft kamen die ersten Überlebenden nach Recklinghausen zurück. Zu diesen gehörten u.a. Minna Aaron, Rolf Abrahamsohn und Martha Marcus. Sie heiratete 1946 den aus Lathen stammenden Ludwig de Vries, ebenfalls ein KZ-Überlebender.
Wichtige Impulse zur Neugründung gingen von Ludwig de Vries aus. Schon 1948 konnte auf dem Friedhof ein Mahnmal zur Erinnerung an die 215 Opfer der Schoa errichtet werden. Treffpunkt und Gemeindezentrum war das Haus Bismarckstraße 3, in dem die Familie de Vries wohnte. Ein Minjan für die Gottesdienste konnte meist nur mit Mühe organisiert werden. 1953 gelang es de Vries, sich mit den kleinen Nachbargemeinden Bochum und Herne zu einer Gemeinde zusammenzuschließen, die 1954 als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde.
Einen großen Schritt konnte die Gemeinde am 10. Juli 1955 machen. Der vom Architekten Karl Gerle entworfene Erweiterungsbau für das Gemeindezentrum mit einem Synagogenraum für 70 Personen konnte durch den Kölner Rabbiner Dr. Zwi Asaria eingeweiht werden. Das Gemeindezentrum war im ehemaligen Jugendheim von 1930 eingerichtet worden, da das Gebäude während der NS-Zeit und des Krieges nur wenig Schaden erlitten hatte.
Nach dem frühen Tod von Ludwig de Vries, er starb mit nur 54 Jahren, übernahm Minna Aron von 1958 an die Leitung der Gemeinde. Ihre Wohnung im Gemeindehaus war Büro und Treffpunkt des Gemeindelebens. Für die nächsten zwanzig Jahre bestimmte sie nun bis 1978 die Geschicke der Gemeinde.
Schon 1948 weihten die überlebenden Rückkehrer auf dem Friedhof am Nordcharweg ein Ehrenmal ein. Es erin-nert an die 215 ermordeten Mitglieder der Gemeinde. Initiator für dieses Denkmal war Ludwig de Vries. Die Inschrift lautet: „Unseren ermordeten Brüdern und Schwestern zum ewigen Gedenken.“ Die Namen aller Ermordeten sind auf der Rückseite eingraviert.
Die Fahnenträgerinnen sind die Riga-Überlebenden Ruth Eichenwald (links) und Irma Salomons (rechts).