1812

1812, März 11 – Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate 

Quelle: Preußische Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1812, No. 5, S. 17-22. (Abb. aus dem Exemplar des Stadt- und Vestischen Archivs Recklinghausen, Signatur: J 90 (St.A.)), Verfasser: Dr. Matthias Kordes, Leiter des Stadt- und Vestischen Archivs Recklinghausen.

Mit dem in Berlin verfassten Edikt Königs Friedrich Wilhelms III. betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate vom 11.  März 1812 wurden die in Preußen ansässigen Einwohner jüdischen Glaubens auf Antrag preußische Staatsbürger. Es löste das noch von Friedrich II. erlassene Revidierte General-Privileg von 1750 ab und gilt als wichtigster Schritt zur rechtlichen Gleichstellung der Juden in Preußen. Damit wurden die zu diesem Zeitpunkt dort wohnhaften und erwerbstätigen Juden juristisch nicht mehr als Fremde, die unter besonderem Recht (d.h. unter der Kuratel der sog. Schutzbriefe) zu stehen hatten, sondern als ‚Inländer‘, d.h. als preußische Staatsbürger eingestuft. So unterschieden sie sich bürgerrechtlich in weiten Teilen nicht mehr von den übrigen Untertanen – sogar Militärdienst war nun möglich bzw. verpflichtend, ebenso wie die Zulassung zum Lehrerberuf, zum Universitätsstudium  oder zu öffentlichen Gemeindeämtern

Ein weiterer wichtiger Faktor im historischen Hintergrund war die 1781 entstandene Denkschrift des preußischen Kriegsrates Christian Wilhelm von Dohm „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, die in einem Neun-Punkte-Programm rechtlich und ökonomisch Trennendes und Diskriminierendes im Zusammenleben zwischen preußischen Juden und Christen einebnen wollte.

Das insgesamt 39 Paragrafen enthaltende Edikt enthielt auch Auflagen und Einschränkungen, die in der Folgezeit in Einzelverfügungen noch verschärft wurden. Einer der wichtigsten Bestimmungen für die Angleichung der jüdischen Lebensverhältnisse an die der christlichen Mehrheitsbevölkerung war jedenfalls die Bestimmung, sich ein für alle Mal feststehende, über Generationen unveränderliche Familiennamen zuzulegen und diese amtlich und buchstäblich „bei der Obrigkeit seines Wohnortes“ (also bei den Bürgermeistern) dokumentieren und festschreiben zu lassen – so nachzulesen in Paragraf 2 und 3 des Ediktes, das die Integration der Juden in das deutsche Namenssystem binnen sechs Monaten vorsah, wodurch der betreffende Jude und seine Familie ein „Zeugnis“ erhalten solle, „daß er Einländer und Staatsbürger sey“.

Absicht und Ziel dieses Emanzipationsediktes war also die möglichst weitgehende soziale, kulturelle, rechtliche, wirtschaftliche Assimilation der Juden. Das Edikt war nicht in allen Teilen Preußens – die Provinz Posen wies häufig Sonderregelungen auf – gültig, so dass zunächst kein einheitliches Recht entstand. Für die Juden in Stadt und Vest Recklinghausen, die nach Untergang des kurkölnischen Staates im Jahre 1802 zunächst nur sehr vereinzelt in die Emscher-Lippe-Region kamen, erhielt dieses grundlegende Edikt uneingeschränkte Gültigkeit, nachdem 1815 Westfalen staats- und völkerrechtlich an Preußen gelangte, wodurch im Augst 1816 die preußische Provinz Westfalen und der Kreis Recklinghausen eingerichtet wurden. Die beiden ersten Juden, die sich nach 1808 in der Stadt Recklinghausen niederließen, die beiden aus Castrop stammenden Metzger Jonas Cosmann und Joseph May, hatten diesen zukunftsträchtigen Verwaltungsakt problemlos absolviert; der bekannte und hochangesehene Name Cosmann wird die Wirtschaftsgeschichte Recklinghausens bis 1933 begleiten. Das Edikt wurde nach mehreren Novellierungen am 23. Juli 1847 durch das Gesetz über die Verhältnisse der Juden aufgehoben (sieh dort).

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