2019

190 Jahre Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen

LIVHT DES JUBILÄUMS

v. l. n. r.: Cay Süberkrüb (SPD), Landrat des Kreises Recklinghausen; Friederike Zurhausen, Polizeipräsidentin des Polizeipräsidiums Recklinghausen; Dr. Mark Gutkin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Recklinghausen; Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe; Michael Zachäus, erster Polizeihauptkommissar, Leiter der Polizeiwache Recklinghausen. Foto: Alexander Libkin

Seit 190 Jahren wird in der jüdischen Gemeinde Recklinghausen ein vielfältiges und buntes Leben praktiziert. In feierlichem Rahmen wurde dieses Jubiläum in der Synagoge zelebriert. Zahlreiche Gäste aus Politik, Kirche und öffentliche Amtsträger erwiesen der Gemeinde ihre Aufwartung. „Ich freue mich, dass Sie so zahlreich gekommen sind, um mit uns zu feiern“, erklärte Dr. Mark Gutkin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kreis Recklinghausen. Mit dem musikalischen Vokalensemble, das den Psalm 1 von Louis Lewandowski, der für die Neubelebung der jüdischen Liturgie große Bekanntheit erlangte, gesanglich vortrug, startete die Zeremonie. Cay Süberkrüb, Landrat des Kreises Recklinghausen, mahnte, wachsam zu sein vor den Menschen, die rechtes Gedankengut verbreiten wollen, und appellierte, gegen Antisemitismus und Rassismus Stellung zu beziehen und Flagge zu zeigen. „Wir bauen Brücken und beseitigen Brüche“, so Süberkrüb. „Es kann doch nicht sein, dass jüdische Mitbürger davor gewarnt werden müssen, eine Kippa zu tragen. Das bereitet mir große Sorgen. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir den Rechten den Nährboden entziehen können.“ Recklinghausens Bürgermeister Christoph Tesche empfand es als Ehre, gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde zu feiern. „Das Schönste ist, dass wir gemeinsam die Feierlichkeitenbegehen“, so Tesche. „Wir dürfen nicht vergessen, sondern müssen uns an die Gräueltaten erinnern“, plädierte der Bürgermeister nachdrücklich. Mit Toleranz, Barmherzigkeit und Nächstenliebe überwinden wir die Anfeindungen von rechts. „Wir leben gemeinsam mit unseren jüdischen Freunden in großer Verbundenheit.“ Auch Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, stellte seine Sicht der Juden, stellte seine Sicht der aktuellen Situation dar und sah in seinem Resümee Licht, aber auch zu viel Schatten. Die Demos für Toleranz machten ihm Mut. Der Aufmarsch der Neonazis und die Angriff e auf Rabbiner erfüllten ihn mit großer Sorge. „Wir sollten unsere Aufmerksamkeit auf das Licht lenken und uns vor Augen führen, mit welch unfassbarer Energie die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges überall in Deutschland neue Gemeinden aufgebaut haben“, so Lehrer. Zeitzeugen seien wichtig, um den Zahlen ein Gesicht zu verleihen. Sie schaff ten Empathie und könnten kein Geschichtsbuch ersetzen. Filmaufnahmen könnten die Schilderungen und Erfahrungen der Überlebenden nicht ersetzen. Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes Westfalen-Lippe, drückte in seinen Worten aus, dass die deutsche Demokratie, die er als sehr wehrhaft empfindet, jüdischem Hass vieles entgegensetzen könne. Eine Handvoll Überlebende kehrten nach dem Krieg in ihre Heimat zurück, lösten sich aus ihrer Erstarrung und gaben jüdisches Wissen weiter. „Nach der Wiedervereinigung wurden die Zuwanderer aus Russland gut aufgenommen. Das war eine große Integrationsleistung“, so Rappoport. Bereits im XV. und XVI. Jahrhundert gab es in Recklinghausen jüdisches Leben. 1829 wurde der Grundstein für die heutige Gemeinde mit dem Eintrag in das Vereinsregister gelegt. Am 20. und 21. August 1880 konnte die erste Synagoge eingeweiht werden. Als die Mitgliederzahlen auf rund 500 stiegen, wurde der Wunsch nach einer neuen Synagoge laut, die 1906 an der Limperstraße in Recklinghausen eingeweiht wurde. Einen tiefen Einschnitt bildet die Reichsprogromnacht, in der die Synagoge zerstört wurde. Die letzten 110 Gemeindemitglieder wurden 1942 nach Riga deportiert. Die 15 Überlebenden kehrten in die Ruhrfestspielstadt Recklinghausenzurück, um eine neue Gemeinde aufzubauen. Die dritte Synagoge wurde 1955 eingeweiht. Nach der Wiedervereinigung erlebte die Gemeinde eine Renaissance. Die Mitgliederzahl erhöhte sich rasant auf 600, so dass der Bau einer neuen Synagoge beschlossen wurde. Die Eröffnung erfolgte 1997. Zwei Jahre später löste sich die Gemeinde aus der Verbundgemeinde Bochum/Herne/Recklinghausen und ist seitdem wieder selbständig. Passend zum Neujahrsfest erklang zum 190. Jubiläum schließlich auch der Schofar. Außerdem plant die Gemeinde, eine neue Torarolle schreiben zu lassen.
Ulrich Nickel

Manfred de Vries, Dr. Mark Gutkin,
Fotos: Alexander Libkin

Flyers zum 190. Jahrestag der jüdischen Gemeinde Recklinghausen

Recklinghausen, Synagoge neuer Chanukka Leuchter auf der Terasse der Synagoge

Dr. Mark Gutkin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Recklinghausen
Foto: Jörg Gutzeit / Recklinghäuser Zeitung

UND DIE CHANUKKIA WIRD LEUCHTEN!

Die Idee, eine große Chanukkia auf der Straße zu errichten, gibt es in unserer Gemeinde schon ziemlich lange. Es wurden sogar einige, wie sich später herausgestellt hat, nicht sehr erfolgreiche Versuche unternommen: Mal war das Material für ihre Herstellung falsch gewählt, mal harmonierte das Aussehen der Chanukkia nicht mit der  Fassade des Gemeindehauses, mal gab es Schwierigkeiten mit der Montage und der Sicherheit bei dem Zünden der Lichter. Es gab auch andere Gründe, die unseren Ansprüchen nicht genügten und es lange Zeit nicht erlaubten, die Idee in vollem Umfang umzusetzen.

Und nun ist es der alten Idee endlich bestimmt, realisiert zu werden – im Jubiläumsjahr des 190-jährigen Bestehens unserer Gemeinde und kurz vor der Chanukka-Feier. Unsere elektrische Straßen-Chanukkia, hergestellt von der Schlosserei Stallmann in Recklinghausen, wiegt etwa 100 Kilo und ist zweieinhalb Meter hoch. Genauso groß ist auch die Breite ihrer Äste. Das Chanukkia-Licht wird ferngesteuert, mit Hilfe einer Fernbedienung, auf der man jedes Mal die nötige Zusammensetzung der Lichter einstellt. Das gab uns die Möglichkeit, die Chanukkia auf dem Balkon im 2. Obergeschoss zu platzieren und ihre Lichter mehr als 10 Meter über den Boden anzuheben. Es ist bekannt, dass die Chanukkia eines der Erkennungssymbole der Juden ist und dass es von alters her üblich war, Chanukkia-Leuchter vor dem Gebäude aufzuhängen, die Welt so an das Wunder von Chanukka erinnernd. Und nun können wir, wenn Chanukka kommt, erstmals unsere geistige Stand-haftigkeit und den Sieg des Heiligen über das Unheilige, des Lichtes über die Dunkelheit o… en demonstrieren.