Über Sozialarbeit und Sozialarbeiter
Von links nach rechts: Jana Stachevski, Valentina Shekun, Elena Kovaleva
Wollt ihr die Gemeinde des Bezirks Recklinghausen näher kennenlernen? Unsere Gemeinde ist wie ein einziger Organismus, der ein interessantes und facettenreiches Leben führt. Und das Herz dieses Organismus ist das Sozialbüro der Gemeinde. Gerade seine Mitarbeiter sind es, die organisieren, planen, helfen – kurz gesagt: alles tun, damit die Bestandteile dieses Organismus funktionieren.
Bei einer Vielzahl verschiedener Veranstaltungen ist bei uns das Leben in vollem Gange. Ein echter Sozialarbeiter ist ein Helfer, ein Psychologe, ein Jurist und ein Vertrauter. Man geht zu ihm in schlechten und in guten Zeiten. Er hilft dabei, die aufkommenden Probleme zu bewältigen. Hierhin wenden sich Leute, um Ratschläge, Hilfe und Unterstützung in allen Lebenslagen zu erhalten. Als 24-jähriges Gemeindemitglied kann ich sagen, dass unser Büro immer genug Arbeit hat. Auch wenn die Zeit viele Änderungen er Tätigkeiten mit sich bringt.
Noch vor zwanzig Jahren gab es vor allem wegen der Sprachbarriere viel mehr Leute, die Hilfe bei unterschiedlichen Behördengängen und bei der Lösung alltäglicher Fragen benötigten. In diesen Jahren ist bei vielen das Sprachproblem in den Hintergrund geraten, und die meisten sind in der Lage, die Fragen selbst zu lösen. Außerdem wurde das Kontingent-flüchtlingsgesetz von 1991 von neuen Regeln abgelöst. Sie wurden 2005 eingeführt, im Rahmen des so genannten „Zuwanderungsgesetzes“; diese stellen ein zweckgebundenes Programm dar, entsprechend dem die Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die nach Deutschland übersiedeln wollen, eine ganze Reihe von Hindernissen überwinden müssen. Jetzt werden diejenigen bevorzugt, die jung, hochquali ziert und erfolgreich im Beruf sind. Entsprechend integriert sich dieses Kontingent schneller in die deutsche Gesellschaft.
In diesem Zusammenhang sind andere Probleme in den Vordergrund getreten. Zum Beispiel Probleme des Individuums in der Gesellschaft. Probleme in der Familie, der Verlust des bisherigen (vor der Emigration) sozialen Status, mentales Unwohlsein, Unzufriedenheit mit dem Leben, Einsamkeit, Mangel an Informationen und vieles andere. All das machte die Gründung des Vertrauenstelefons“ in Deutschland notwendig. Dank der Initiative des Doktors der Psychologie und Vorsitzenden der Gemeinde Dr. Gutkin und des Gemeindemitglieds Sergej Stachevski mit Hilfe der Sozialarbeiterin Jana Stachevski und mit einer kleinen finanziellen Unterstützung des Ministeriums für Migration (BMAF), wurde im Jahr 2005 ein solcher Dienst bei der Gemeinde des Bezirks Recklinghausen gescha en. Dieses Projekt ist seit fast zwanzig Jahren aktiv. Einige Generationen von Freiwilligen leisten emotional-psychologische Unterstützung und informativ-beratende Hilfe bei der Lösung lebenswichtiger Probleme.
Ein weiteres wichtiges soziales Projekt, das produktiv in der Gemeinde funktioniert ist die Scha ung einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Besonderheiten der Entwicklung. In den Jahren der Emigration sind Kinder gewachsen, die zu der Kategorie Menschen mit beschränkten Möglichkeiten“ gehören: physisch, psychisch oder psychologisch. Sie und ihre Familien erleben oft Schwierigkeiten. Diese Leute fühlen sich oft nicht nur aus der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen, sie erleben auch ein Kommunikationsde zit in russischer Sprache und brauchen oft Hilfe und Unterstützung. Im Jahr 2011 wurde in Nordrhein-Westfalen dank dem Projekt „Gesher“ der ZWST, das von der Organisation Aktion Mensch unterstützt wurde, die Selbsthilfegruppe (SHG) gegründet, deren Ziel es ist, diese Probleme zu überwinden. Die Teilnehmer der Gruppe führen regelmäßig mit Hilfe von Freiwilligen und der Sozialarbeiterin Jana Stachevski kreativen Unterricht zu verschiedenen Themen durch, treffen ebensolche Gruppen aus anderen Städten, tauschen Informationen aus, unterhalten sich, nehmen aktiv am Leben der Gemeinde teil.
Ein individueller Zugang zu jedem ist das hervorstechendste Merkmal des Berufs des Sozialarbeiters, ebenso wie Güte, Verständnis, Achtsamkeit und Empathie. Fast alle Mitglieder der Gemeinde, die in den 90er Jahren nach Deutschland gekommen sind, waren Kriegskinder. Deswegen unterstützt sie seit den ersten Tagen des Lebens in Deutschland bis heute nicht nur das Sozialbüro, sondern auch der Fonds „Claims Conference“ und EVZ (Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“), mit deren Hilfe vielseitige Veranstaltungen für Holocaust-Überlebende nanziert werden.
In diesen Jahren ist die Zahl älterer Leute gewachsen, die Hilfe benötigen, und einige von ihnen sind einsam. Doch auch diejenigen, die eine Familie haben, können bei Weitem nicht immer die notwendige Unterstützung erhalten. Davon sind vor allem Demenzkranke betro en. Von diesen Bedürfnissen ausgehend und dank unseren Sozialarbeitern ist bei uns noch ein großes Projekt angelaufen, das auf § 45b SGB XI basiert. Die Rede ist von Hilfsangeboten, die eine Last von denen nehmen, welche Pflege bewerkstelligen müssen. Es wird alles getan, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange zuhause bleiben, soziale Kontakte aufrechterhalten und weiterhin möglichst selbstständig das tägliche Leben bewältigen.
Wer kennt die Kehrseite aller unserer Krisen – seelisch, gesellschaftlich, ökonomisch und politisch – besser als die Sozialarbeiter? Wer, wenn nicht der Sozialarbeiter, ist bereit euch die helfende Hand in einer schwierigen Lebenslage zu reichen? Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich die Tätigkeit des Sozialbüros um eine große Ausrichtung erweitert: Hilfe für die Menschen, die vor dem Krieg ge ohen sind. Mit nanzieller Unterstützung der Organisation „Aktion Mensch“ ist eine große Arbeit in diese Richtung gestartet. Und das ist bei Weitem nicht alles, es gibt noch viele unterschiedliche Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene: ein Chor und eine Gesangsgruppe für Erwachsene, zwei Theatergruppen für Kinder und ein Kinderchor, eine Kinder- Tanzgruppe, Englisch-Unterricht, ein Handarbeits-Workshop, ein Seniorenclub, ein Frauenclub, eine Malgruppe, jüdische Tänze, der Club „Wir sprechen Deutsch“ usw. Alles kann man hier nicht aufzählen. Natürlich finden alle diese Veranstaltungen mit der Unterstützung der Gemeinde, vertreten durch ihren Vorsitzenden Dr. Gutkin, statt. Jeder Unterricht wird durch einen Leiter vorbereitet und durchgeführt, der zweifellos seine Seele und seine Kräfte in die Durchführung steckt.
Die Mitglieder unserer Gemeinde haben Glück gehabt. Alle drei unserer Sozialarbeiterinnen Jana Stachevski, Valentina Shekun und Elena Kovaleva haben mit ihrer Arbeit das Vertrauen, die Liebe und Dankbarkeit der Schützlinge gewonnen.
Irina Barsukowa, Jüdische Gemeinde Kreis Recklinghausen Foto: Alexander Libkin