2023

NRW-Antisemitismusbeauftragte Leutheusser-Schnarrenberger zu Gast in der Synagoge

Pressemitteilungen, Ruhrfestspielstadt Recklinghausen

Die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, war am Donnerstag, 30. November, zu Besuch in der Jüdischen Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen. Die ehemalige Justizministerin informierte sich in der Synagoge am Polizeipräsidium über die Lage in Recklinghausen.

Leutheusser-Schnarrenberger wurde vor Ort von Dr. Mark Gutkin, dem Vorsitzenden der Kultusgemeinde, begrüßt. An dem Austausch nahm auch Dr. Sebastian Sanders, der Sozialdezernent der Stadt Recklinghausen, teil. Dr. Sanders vertrat dabei den Recklinghäuser Bürgermeister Christoph Tesche.

Die Antisemitismusbeauftragte interessierte sich besonders für die Tage und Wochen direkt nach den terroristischen Angriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Dr. Gutkin betonte, dass er sich sehr über die Resonanz auf die Solidaritäts-Kundgebung an der Synagoge gefreut habe und er persönlich, aber auch die Gemeinde, keinen antisemitischen Angriffen ausgesetzt war.

Auch Sozialdezernent Dr. Sanders war bei der Kundgebung Ende Oktober an der Synagoge dabei: „Aber beispielsweise auch die im Vergleich zu den Vorjahren sehr große Teilnehmerzahl bei der Gedenk-Veranstaltung am Mahnmal am Herzogswall zur Reichspogromnacht am 9. November hat gezeigt, dass die Recklinghäuser Stadtgesellschaft gerade jetzt fest an der Seite der jüdischen Kultusgemeinde und der hier lebenden Menschen jüdischen Glaubens steht.“

Die ehemalige Justizministerin erklärte, dass es erfreulicherweise in sehr vielen Städten Solidaritätsveranstaltungen gegeben habe, sich im Gegenzug leider aber auch die Taten mit antisemitischem Hintergrund in den Tagen und Wochen nach dem 7. Oktober im Vergleich zu den Monaten davor nahezu verfünffacht hätten.

30.11.2023

SOLIDARITÄTSBESUCH BEI DER JÜDISCHEN GEMEINDE

Freundschaft ist in schweren Zeiten noch wichtiger wie an guten Tagen. Deshalb haben die Landtagsabgeordnete Anna Teresa Kavena, die stellvertretende SPD-Stadtverbandsvorsitzende Sabine Meierhans und Ratsmitglied Frank Cerny die Jüdische Gemeinde besucht, um Anteilnahme und Solidarität angesichts des schrecklichen Terrorangriffs auf Israel zu bekunden. Bei dem Treffen wurde auch eine Solidaritätsnote des heimischen Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe übergeben.

Gemeinsam gab es einen Austausch mit dem Vorsitzenden der Gemeinde, Dr. Mark Gutkin und Kantor Isaac Tourgman, über die aktuelle Situation im Nahen Osten. Ebenfalls wurde über die Lage  in Deutschland gesprochen. Die SPD-Vertreter*innen betonten, dass das Existenzrecht Israels durch nichts zu relativieren ist. Deutschland muss alles dafür tun, damit jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger frei und ohne Angst leben können. Zugleich wurde gemeinsam die Hoffnung geäußert, dass es zu keiner weiteren Eskalation im Nahen Osten kommt und die Bemühungen um einen dauerhaften Frieden in der Region fortgesetzt werden. Gegen diejenigen, die den Terror gegen Israel und den Tod unschuldiger Menschen hierzulande feiern, muss der Rechtsstaat mit voller Härte vorgehen.

Zum Gedenken an die Juden, die im Ersten Weltkrieg umgekommen sind

Bei der Einweihung des restaurierten Obelisken zu Ehren der im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Juden.

Am 1. August 2023 fand auf dem jüdischen Friedhof Recklinghausen die feierliche Eröffnung nach der Restauration des Obelisken statt, welcher der Teilnahme deutscher Juden am Ersten Weltkrieg gewidmet ist.

Darauf sind die Namen der verstorbenen 13 Mitglieder der Recklinghäuser Gemeinde verewigt.

Der Obelisk verewigt die ungerechtfertigterweise vergessene Generation der loyalen jüdischen Bürger, Deutschlands Patrioten, die ihre Bürgerpflicht erfüllten. Das Denkmal wurde nur drei Jahre nach Kriegsende gebaut, im November 1921. Es war vom Architekten Bernhard Schwiters aus Recklinghausen geplant worden, darüber berichtete damals die Recklinghäuser Zeitung.

Im vergangenen Jahrhundert hat die zerstörerische Wirkung der Zeit dem Monument Schaden zugefügt. Es wurde brüchig, verfiel und die Inschriften verblassten. Eine Generalüberholung war nötig. „Tatsächlich sollte das Denkmal im Jahr 2021 wiederhergestellt werden, 100 Jahre nach seiner Erbauung. Doch die Coronavirus-Pandemie bremste das Projekt aus. Und so findet heute, am Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs, die Eröffnung des restaurierten Denkmals statt“, sagte der Vorsitzende der Gemeinde Mark Gutkin. Er hieß auch die Ehrengäste bei der Zeremonie willkommen. Die Ehre, das Denkmal zu eröffnen, wurde dem Ehrengast, dem Militärbundesrabbiner Zsolt Balla zuteil.

Der Davidstern und das Eiserne Kreuz auf dem Denkmal wird von 13 Namen verstorbener jüdischer Soldaten umrahmt. Dies ist kein Zufall. Im Judentum gibt es die alte Regel, die schon im Babylonischen Talmud (Talmud Bavli) festgehalten wurde: „Das Gesetz des Landes ist Gesetz für den Juden.“ Diesem Gesetz folgend gingen sie an die Front, um nicht nur ihr Vaterland zu verteidigen, sondern auch die Rechte ihrer Glaubensgenossen zu schützen. Der Gerechtigkeit halber möchte ich anmerken, dass die jüdischen Bürger der Länder, die gegen Deutschland kämpften, ebenso auf einer Welle des Patriotismus an die Front gingen und gegen ihre eigenen Glaubensbrüder kämpften. Etwa eine halbe Million „Deutsche des Glaubens Moses“, die weniger als ein Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachten, spielten eine wichtige Rolle im gesellschaftlich-politischen, ökonomischen, finanziellen, wissenschaftlichen und kulturellen Leben des Reiches. 100.000 Juden (jeder fünfte deutsche Jude) dienten 1914-1918 in der kaiserlichen Armee, 80.000 von ihnen kämpften an der Front. 10.000 deutsche Juden gingen freiwillig in die Armee. Deutsche

Juden waren nicht weniger deutsch-patriotisch als nichtjüdische Deutsche. Während des Ersten Weltkrieges wurden 35.000 deutsch-jüdische Kämpfer mit Orden und Medaillen ausgezeichnet, 18.000 von ihnen mit dem Eisernen Kreuz. An den Fronten des Ersten Weltkriegs starben 12.000 deutsche Soldaten und Offiziere jüdischen Glaubens für ihre deutsche Heimat und weitere 32.000 wurden schwer verwundet oder durch Gase vergiftet.

v.l.n.r.: Dr. Mark Gutkin, Vorsitzender der JKG Kreis Recklinghausen; Zsolt Balla, Militärbundesrabbiner

In Deutschland waren die jüdischen Veteranen des Ersten Weltkriegs im imperialen Bund jüdischer Frontkämpfer vereinigt, der 55.000 Mitglieder zählte. Der Bund wurde von Kapitän Leo Löwenstein angeführt, deutscher Chemiker und Physiker, Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse.

v.l.n.r.: Dr. Mark Gutkin, Vorsitzender der JKG Kreis Recklinghausen; Zsolt Balla, Militärbundesrabbiner; Christoph Tesche, Bürgermeister der Stadt Recklinghausen

Doch dies hat ihnen nicht geholfen, schrecklichen antisemitischen Verfolgungen zu entgehen. Im Kampf gegen die Weimarer Republik nutzten die Nazis aktiv antisemitische Provokationen – unter anderem die Lüge, Juden wären im Ersten Weltkrieg hinter den Linien sitzen geblieben und hätten dem kaiserlichen Deutschland einen „Messerstoß in den Rücken“ verpasst.

Vor dem restaurierten Obelisken stehen Dr. Mark Gutkin, Rabbiner Zsolt Balla und Offiziere der Bundeswehr aus verschiedenen Truppengattungen.

Nach der Machtergreifung Hitlers wurden Juden Opfer des nationalsozialistischen staatlichen Antisemitismus, der in vielen Punkten auf den „Protokollen der Weisen von Zion“ basierte. Diese Fälschung gab Hitler laut den Worten des britischen Historikers Norman Cohn den „Segen für den Genozid“. Nach Deutschland wurden die „Protokolle“ Ende 1918 gebracht, von Fedor Winberg und Pjotr Schabelski-Bork, Mitglieder der russischen Schwarzen Hundertschaften. Alfred Rosenberg, Emigrant aus Russland, der zum Ideologen der Partei Hitlers wurde, brachte eine Massenpublikation der „Protokolle“ in deutscher Sprache heraus. Die „Protokolle“ wurden zu einem der Lieblingsbücher Hitlers: Er fasste den absurden Plan einer Verschwörung mit dem Ziel der Ergreifung der Weltherrschaft als Offenbarung auf und versuchte ihn in die Tat umzusetzen. Der Führer der Nazis nutzte genau die Methoden, welche die Autoren der „Protokolle“ den mythischen jüdischen Verschwörern zuschrieben.

Bereits im Jahr 1935 wurden die Juden entsprechend den Nürnberger Rassegesetzen ihrer Bürgerrechte beraubt. Das Judentum stellten die Nazis nicht an dem Glauben, sondern an der Abstammung fest. Nach der Kristallnacht – dem Pogrom gegen die Juden im November 1938, wurde der Bund jüdischer Frontkämpfer verboten. Vor dem Zweiten Weltkrieg verstärkte sich die Flucht der Juden aus Deutschland. Wer das nicht konnte oder es nicht mehr schaffte, zu emigrieren, wurde zum Opfer der nationalsozialistischen „Endlösung der Judenfrage“. Und die jüdischen Veteranen des Ersten Weltkriegs waren davon nicht ausgeschlossen.

Nicht zufällig befindet sich neben dem Obelisken auf dem

jüdischen Friedhof ein Denkmal für die 215 Mitglieder der Gemeinde, die in der Zeit des Holocaust umgekommen sind, das ebenfalls restauriert wurde. Die Nähe der beiden Gedenkstätten ist eine Erinnerung und Mahnung an uns alle. Doch auch wenn die Welle des Antisemitismus im modernen Deutschland wächst, dienen heute 300 jüdische Soldaten ihrer Heimat in der Bundeswehr.

Der Erste Weltkrieg raubte mehr als neun Millionen Menschen das Leben und brachte Hunger, Zerstörung und menschliches Leiden mit sich. Die europäischen Großmächte waren in zwei militärisch-politische Blöcke eingeteilt: die Entente und der Dreibund. Es ist traurig, dass auf jeder Seite Juden einander bekämpften und töteten.

In den jüdischen Gemeinden erzählte man die wahre Legende aus den Zeiten des Ersten Weltkriegs: In einem tödlichen Nahkampf standen russische und deutsche Soldaten einander gegenüber. Der Russe erstach den Deutschen mit einem Bajonett. Plötzlich hörte er aus dem Mund des Sterbenden die Worte des Gebets „Shma Israel“. Dem russischen Soldaten wurde klar, dass er einen Glaubensbruder getötet hatte – beide Soldaten waren Juden.

Wie der Dichter Igor Guberman schrieb:

Die Juden kannten die beschämende Lage
unter dem Joch der Unterdrücker,
doch nach der Schmach einer Niederlage
überlebten sie die Sieger.

 

Irina Barsukova, Foto: Alexander Libkin

Recklinghausen: Nachbarschaftstreffen mit Ausstellungsbesuch – Jüdische Kultusgemeinde ist im Polizeipräsidium zu Gast

Recklinghausen (ots)

Eine Delegation der Jüdischen Kultusgemeinde um Kantor Isaac Tourgman und den Gemeindevorsitzenden Dr. Mark Gutkin war bei der Recklinghäuser Polizei zu Gast und wurde von Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen empfangen.

Eine Delegation der Jüdischen Kultusgemeinde um Kantor Isaac Tourgman und den Gemeindevorsitzenden Dr. Mark Gutkin war jetzt bei der Recklinghäuser Polizei zu Gast. Auf dem Plan stand der Besuch zweier Ausstellungen im Polizeipräsidium: der Dauerausstellung „WiRErinnern“ zur Geschichte der Recklinghäuser Polizei sowie der Wanderausstellung „Du Jude – Alltäglicher Antisemitismus in Deutschland“ der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen und Wachleiter Martin Wilhelm empfingen die Gemeindevertreter und nutzten das Nachbarschaftstreffen mit Rundgang durch die Ausstellungen zu Gesprächen über Erinnerungskultur, gemeinsame christlich-jüdische Werte und demokratische Resilienz.

Seit Jahren pflegen die Jüdische Gemeinde und die Recklinghäuser Polizei eine gute Nachbarschaft mit regelmäßigem Austausch. Erst vor wenigen Tagen war eine Dienstgruppe der Recklinghäuser Wache in der benachbarten Synagoge zu Gast, um von Isaac Tourgman mehr zu erfahren über jüdisches Leben in unserer Region.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den eigenen Werten ist Friederike Zurhausen ein besonderes Anliegen. „Unsere Dauerausstellung setzt sich an zentraler Stelle mit den Gräueltaten der Polizei im Nationalsozialismus auseinander. Sie ist ein wichtiger Baustein unserer Selbstreflexion und Wertearbeit.

Die Polizei hat im Terrorsystem der Nationalsozialisten eine schreckliche Rolle gespielt. Das in Recklinghausen gebildete Polizeibataillon 316 war an der Ermordung von tausenden jüdischen Opfern beteiligt. Wir erkennen unsere Verantwortung an, uns mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte und der Geschichte der Polizei auseinanderzusetzen und rechtsextremistischen sowie antisemitischen Tendenzen konsequent entgegenzutreten“, sagt die Polizeipräsidentin. „Die Wanderausstellung zu alltäglichem Antisemitismus in Deutschland gibt dabei wertvolle Denkanstöße.“ Die oft in Schulen genutzte Ausstellung „Du Jude“ war über die Sommermonate im Präsidium ausgestellt.

Friederike Zurhausen betont: „Antisemitismus und Rassismus, Ausgrenzung, Hass und Gewalt müssen wir als Gesellschaft, aber vor allem als Polizei, entschieden entgegentreten. Jüdisches Leben gehört selbstverständlich zu unserem Land und muss hier ohne Angst vor Bedrohung möglich sein.“

Das Treffen diente den Vertretern der Jüdischen Gemeinde auch dazu, sich einen ersten Eindruck von der Dauerausstellung der Recklinghäuser Polizei zu verschaffen, denn für Ende Oktober ist der Besuch einer größeren Gruppe von Gemeindemitgliedern im Präsidium geplant.

Polizeipräsidium Recklinghausen
Bjoern Korte

 

 

23. Abrahamsfest 2023

„Schöpfung und Lebensgrundlagen bewahren – unsere gemeinsame Verantwortung“

Unter dieses Thema haben die Verantwortlichen der „Christlich – Islamisch – Jüdischen Arbeitsgemeinschaft“ in Marl und Recklinghausen das 23. Abrahamsfest gestellt und ein vielfältiges Programm erarbeitet. Dr. Marc Gutkin, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde im Kreis Recklinghausen eröffnete zum 12. Mal den feierlichen Auftakt des Abrahamsfestes in der Synagoge.

Landrat Bodo Klimpel erinnerte in seiner Rede an die Anschläge des 11. September und bedankte sich bei der interkulturellen Arbeitsgemeinschaft CIJAG für ihr jahrzehntelanges Bemühen um Begegnung, um Respekt und Toleranz und den Frieden zwischen den Religionen in der Stadt und im Land. Die Freude war groß, diesmal die Schirmfrau des 23. Abrahamfestes Dr. Deborah Williger begrüßen zu dürfen. Sie hielt als jüdische Theologin und Agrarwissenschaftlerin die feierliche Eröffnungsrede. Getragen waren ihre Worte von den Gedanken um die Abrahamitischen Religionen, die sich zu dem „Einem“ Gott bekennen, im Judentum, wie im Christentum und im Islam. Sie regte an, vom „Abrahamitischen Fest“ zu sprechen, statt vom Abrahamsfest, um zu verdeutlichen, dass es um die Nachfahren Abrahams geht, zu denen Männer, Frauen, Kinder gehören und alle miteinander den Auftrag haben, sich um das Wohlergehen aller und die Bewahrung der Schöpfung zu kümmern. Die jungen Leute der CIJAG thematisierten ihre Zukunftsängste angesichts der Klimakrise und appellierten an die Verantwortung, die jeder Einzelne für den Wandel hat. Den Rahmen für die Wortbeiträge bildeten die wunderbaren Klänge von Christos Kazagliz und Dr. Jana Emmrich (Christlich: Cello und Klavier), Salih Akkus (Islamisch: Baglama und Gesang, Nei-Flöte) und des jüdischen Vokalensembles, das unterstützt wurde von drei kleinen Solistinnen, die alle Herzen gewannen.

Vom Abrahamischen Forum Deutschland e.V. angereist waren von Darmstadt Dr. Jürgen Micksch (Träger des Bundesverdienstkreuzes für sein Engagement gegen Rassismus und für ein Miteinander der Menschen und Religionen) und die Referentinnen Stefanie Krauch und Charlotte Löbner. Sie eröffneten die „Religiösen Naturschutztage Deutschland“ hier bei uns und mit uns gemeinsam. Als besondere Zeichen, Symbole für Stärkung, Ermutigung und Neuanfang brachten sie für alle Anwesenden, in kleine Tütchen verpackt, die Zutaten der „Asure-Suppe“ mit, die Köstlichkeit Noahs. Der Erzählung nach bereitete Noah nach der vernichtenden Sintflut, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, mit den letzten Resten seiner Vorräte diese Süßspeise zum ersten Mal zu und feierte mit den Überlebenden der Arche ein Festmahl.

Den Segen sprachen Vertreter*innen der 3 Religionen mit Isaac Tourgman von der jüdischen Kultusgemeinde, Superintendentin Saskia Karpenstein vom ev. Kirchenkreis, Muhammet Catmack von der Fatih Moschee in Marl und Karl Kemper, Kreisdechant in Recklinghausen. Nach diesen ermutigenden Worten für unsere Zukunft folgten noch sehr viele Gäste der Einladung zum gemeinsamen Essen auf dem Hof der Synagoge.

(http://www.cijag-marl.de) 

 Gespräch des Freundeskreises der Jüdischen Kultusgemeinde Recklinghausen mit Landrat

(v.l. n.r): Landrat Bodo Klimpel, Vera Klocke-Eickmann, Hans-Georg Wiemers, Jochen Welt, Ansgar Lewe, Isaac Tourgmann, Dr. Mark Gutkin

Nach der Gründung des Freundeskreises gilt es sich in Stadt und Kreis vorzustellen und gemeinsame Aktivitäten zu besprechen. Dabei wurde schnell klar, dass Landrat Bodo Klimpel ein engagierter Verfechter jüdischen Lebens im Kreis Recklinghausen ist. Zu den Gemeinsamkeiten gehören sowohl eine erlebbare Erinnerungskultur zu den Gräueltaten des Nationalsozialismus als auch die aktive Gestaltung eines bürgerschaftlichen Miteinanders unter Beteiligung der Jüdischen Kultusgemeinde. Ein besonderer Schwerpunkt gemeinsamer Aktivitäten liegen auch in der Vermittlung jüdischen Lebens für die jüngeren Generationen. Hier leistet insbesondere die Begegnung mit der Erlebnisgeneration wertvolle Hilfe. Diese Chance wird immer geringer. Hier gilt es neue Erlebnisformen zu entwickeln.
Hierzu sollen gemeinsam neue Formate besprochen werden. Einen besonderen Beitrag kann dabei auch die Israelstiftung leisten. Deren Aktivitäten und deren Unterstützung zu fördern, soll ebenfalls ein weiteres Arbeitsziel sein.

Jochen Welt

 

Spuren jüdischer Geschichte

Abschrift des Originalbriefs. Der Stil und die Grammatik des Briefes wurden wie im Original beibehalten.

Am 27. Janaur 2023 versammelten sich Menschen verschiedenster Konfessionen und Religionen, gemeinsam zu einem Koffermarsch durch Recklinghausen, um an die ermordeten Menschen zu erinnern, die dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer fielen. An der Veranstaltung teilgenommen haben auch Leonie Staske und Satine Norkus, zwei Schülerinnen vom Hittorf-Gymnasium.

“Die Opfer des Holocaust können ihre Geschichten nicht mehr erzählen, deshalb ist es als Gesellschaft unsere Verantwortung, an ihre Schicksale zu erinnern, damit sich das was damals geschehen ist, sich nie wiederholt”, sagen die beiden. Aus dieser Überzeugung heraus entstand mit anderen Schüler*innen ein Projekt mit dem Titel „Spuren jüdischer Geschichte – eine Zeitreise durch Recklinghausen“. An verschiedenen Stationen sollen QR-Codes eingescannt werden können, um mit Augmented Reality mehr über jüdisches Leben in Recklinghausen zu erfahren.

Bevor so ein großes Projekt überhaupt erst auf die Beine gestellt werden konnte, war im Vorfeld tagelange Recherchearbeit von Nöten. Dabei stießen Leonie und Satine im Stadtarchiv auf einen Fund, der sie gleichermaßen erstaunte und anwiderte: Briefe von opportunistischen Recklinghäuser Bürgern, die schon vor der Wannseekonferenz von der anstehenden Deportation der Juden Wind bekamen und eine Anfrage ans Finanzamt schickten, ob sie die bald leerstehenden Wohnungen bekommen könnten.

Diese Briefe wollten die Schülerinnen am Holocast-Gedenktag in der jüdischen Synagoge vorlesen, um darauf aufmerksam zu machen, wie das Verbrechen der Nazis damals von weiten Teilen der Bevölkerung hingenommen, in diesem Fall sogar begrüßt wurde. „Natürlich ist man erst unglaublich aufgeregt, vor allem wegen der besonderen Bedeutung dieser Gedenkveranstaltung“, erklärt Satine im Nachhinein. Aber während der Rede herrschte dann eine stille, aufmerksame Stimmung im Publikum, ein Gemeinschaftsgefühl, das bereits auf dem Weg von der Christuskirche zur Synagoge spürbar war und welches die beiden noch gut in Erinnerung haben. Nach der Veranstaltung waren sie vor allem stolz, dass alles so gut funktioniert hat und dass die Anwesenden begeistert von ihrem Engagement gegen das Vergessen waren.

Vielen Zuhörern ist auch nach der Veranstaltung noch im Kopf geblieben, womit die beiden Hittorferinnen*ihren Beitrag abgeschlossen haben: „Diese Briefe sollen uns heute als Mahnung dienen, damit wir jetzt und in der Zukunft eine Gesellschaft schaffen, die sich durch Toleranz und Mitgefühl auszeichnet.“

 

Satine Norkus, Leonie Staske, Philipp van Sprang, Svenja Kiefer,

Schülerinnen und Schuler des Hittorf-Gymnasiums Recklinghausen

 

Recklinghausen, den 18.1.1942

An das Finanzamt Recklinghausen

Betreff: Wohnungs-Angelegenheit

Der Brief von Polizeiinspektor an den Herrn Vorstand des Finanzamtes Recklinghausen vom 13.12.41

 

Haben in Erfahrung gebracht daß die Juden in nächster Zeit von hier weg kommen, und daß hierdurch Wohnungen frei werden.

Wir haben zur Zeit nur zwei Zimmer wohnen also sehr beengt, und außerdem sind unsere Gas- und Lichtleitung mit den anderen Hausbewohnern zusammen. Und das ist vom Gas

und Elektrizitätswerk nicht gestattet. Der Hauseigentümer lässt aber wegen der zwei Zimmer dann keine neue Leitung durch das ganze Haus legen und zudem will er die Zimmer für sich in Anspruch nehmen. Wir sind deshalb genötigt eine anderer Wohnung zu suchen.

Und deshalb wollten wir am Finanzamt anfragen, ob vielleicht für uns eine Wohnung zu beschaffen wäre. Falls es möglich wäre, würden wir um Zuteilung einer 3 Zimmer- Wohnung, am liebsten abgeschlossen, bitten.

Bewerber ist 25 Jahre Straßenbahnschaffner mit Frau und Kind.

Bitten nun nochmals uns in dieser Angelegenheit berücksichtigen zu wollen und bitten um weitere Nachricht.

Frau Sebastian Bruckmoser

Hier

Ernst vom Rath Str.55

 

Holocaust-Gedenktag: Über 200 Teilnehmer beim Symbolmarsch zur Synagoge (27.01.2023)

RE-Westviertel. Ein Solidaritätsgang am Holocaust-Gedenktag erzielt eine erstaunliche Resonanz: über 200 Personen ziehen über die Limperstraße zur Synagoge – viele mit Koffern.

Das Datum war nicht zufällig gewählt – und die Geste auch nicht. Und es passte, dass sich am Freitag (27.1.) gut 200 Menschen an der Christuskirche eingefunden hatten, um mit einem Koffermarsch zur Synagoge neben dem Polizeipräsidium sowohl Gedenken zu praktizieren als auch Solidarität zu demonstrieren. Solidarität mit jenen jüdischen Recklinghäusern, die am 27. Januar 1942 in vergleichbarer Zahl nach Riga deportiert wurden. Und die auf jenen Gang, der für fast alle der letzte war, lediglich einen Koffer mitführen durften.

Dass der 27. Januar drei Jahre später auch der Tag war, an dem sowjetische Truppen das Konzentrationslager in Auschwitz befreit haben, ist eine eigenwillige historische Fügung. Seit 1996 dient dieses Datum in Deutschland als „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Auch deshalb wurde der Marsch von Mitgliedern der jüdischen, christlichen und muslimischen Religionsgemeinschaften inszeniert.

Und die Resonanz gab den Veranstaltern recht: Es war keine Bedingung, mit Koffer zu erscheinen, doch viele ergriffen die Gelegenheit, auf diese ungewöhnliche Weise Herz und Flagge zu zeigen. So unter anderem auch drei Schüler der Martin-Luther-King-Gesamtschule aus Marl: Nicole Hunker, Secil Kasukcu und Phillip Dublinowski hatten Trolleys dabei, die sie am 20. März auch nicht nur symbolisch brauchen. Mit der Schule fahren sie dann nach Auschwitz, um vor Ort dem Schicksal von einer Million ermordeter Juden nachzuspüren.

Der Gang in Recklinghausen war für das 15- bis 16- jährige Trio gleichsam Vorbereitung wie Ehrensache, wie es unisono bekannte: „Das, was damals passiert ist, war extrem grausam und sehr traurig. Und deshalb ist es sehr wichtig, dass wir signalisieren, dass so etwas nie wieder passiert.“

In ganz ähnlicher Weise äußerten sich im Anschluss auch die Sprecher bei der Gedenkfeier in der Synagoge. Begrüßt wurden alle Teilnehmer von Dr. Mark Gutkin, dem Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde. Anschließend präsentierte Bürgermeister Christoph Tesche unter anderem ein bemerkenswertes Zitat von Armin Laschet, der noch als NRW-Ministerpräsident angesichts von zunehmendem Antisemitismus erklärt hatte, „dass die Mitbürger jüdischen Glaubens noch nicht auf gepackten Koffern säßen, aber diese bereits vom Dachboden geholt haben“.

Auch Saskia Karpenstein (evangelische Superintendentin), Karl-Hermann Kemper (katholischer Kreisdechant) und Erdinc Ergün (muslimischer Hodscha von der Gemeinde an der Dortmunder Straße) sowie eine Gruppe von Hittorf-Schülern fanden angemessene Worte. Beschlossen wurde die Feier, die von Chorgesang und Musik begleitet wurde, von Vorbeter Isaac Tourgman, der alle Anwesenden „Hevenu shalom alechem“ (Wir wollen Frieden für alle) singen ließ. Es könnte so einfach sein.

Quelle: Wiethaup (Recklinghäuser Zeitung), Fotos: Libkin

Ein freudiger Besuch zum Jahresbeginn

Die Kinderfreizeit der Jüdischen Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen besichtigte gleich zu Beginn des neuen Jahres eines der schönsten Rathäuser Nordrhein-Westfalens. Dort wurden die Kinder von Christoph Tesche, dem Bürgermeister der Stadt Recklinghausen, persönlich begrüßt. Er postete ein Foto und den folgenden Text auf seiner Facebook-Seite:

Eine Ferienfreizeit für Kinder „ATID“ im Alter von acht bis 13 Jahren bietet die Jüdische Kultusgemeinde an. Dabei geht es auch darum, dass der Nachwuchs, der zu großen Teilen aus der Ukraine stammt und in der Regel seit rund einem halben Jahr in Recklinghausen ist, unsere noch kennenlernt. Auf dem Programm stand auch eine Führung durch das schönste Rathaus von NRW. Gerne habe ich die Kinder und ihre Betreuerinnen in meinem Büro empfangen und ein wenig über meinen Arbeitsalltag berichtet. Ich bedanke mich ganz herzlich für den Besuch.

Jüdischen Kultusgemeinde

Kreis Recklinghausen

Quelle: Facebook von Christoph Tesche – https://bit.ly/3CI1NmK